28.02.2019 Dr. Markus Fiedler

Ist Allah ein grausamer Gott?


Die Basmala ("Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.") in arabischer Kalligraphie.

Die islamische Eröffnungsformel "Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen" in arabischer Kalligraphie.

In Verbindung mit dem Vorgehen von Terrororganisationen wie dem IS und der Al-Qaida und den von ihnen verübten Exzessen wird immer wieder der Eindruck vermittelt, die Muslime würden einen grausamen Gott, verehren der so ein Vorgehen anordnen oder wünschen würde. Insbesondere im Zusammenhang mit der Umsetzung des Islamischen Rechts (im Fachjargon: Scharia) wird Allah immer wieder als grausamer Gott dargestellt. So wurde in der preisgekrönten Dokumentation "Sterben für Allah? Deutsche Gotteskrieger auf dem Weg nach Syrien" nicht nur suggeriert, dass es sich bei Allah um einen anderen Gott als den der Christen handeln, sondern dass dieser den Muslimen solche Taten nahelegen würde. Nach der islamischen Religion, wie sie sich aus dem Koran, dem heiligen Buch der Muslime, und der prophetischen Überlieferungen (im Fachjargon: Sunna) darstellt, ist allerdings nichts falscher als dies. Dies soll im Folgenden etwas näher erläutert werden.

Der Koran macht deutlich, dass mit Allah der Schöpfer der Himmel und der Erde gemeint ist, dem die schönsten Namen eigen sind: "Er ist Allah, der Schöpfer, der Erschaffer, der Gestalter. Sein sind die schönsten Namen." (Sure 59, Vers 24). Er ist der eine, der einzige Gott, den Abraham, Moses und Jesus verkündet haben: "Sagt: Wir glauben an Allah und an das, was zu uns (als Offenbarung) herabgesandt worden ist, und an das, was zu Abraham, Ismail, Isaak, Jakob und den Stämmen herabgesandt wurde, und (an das,) was Moses und Jesus gegeben wurde, und (an das,) was den Propheten von ihrem Herrn gegeben wurde." (Sure 2, Vers 136) Im Hinblick auf die Christen stellt der Koran fest, dass "unser Gott [der der Muslime] und euer Gott [der Gott der Christen]  ein- und derselbe" ist. (Sure 29, Vers 46) Wer eine arabische Bibel in die Hand nimmt, wird dort ebenfalls bestätigt finden, dass Gott auch hier mit „Allah“ bezeichnet wird. Das arabische Wort Allah ist somit „kein Eigenname wie Zeus, sondern ein Appellativ wie ‚theos, Deus, Dieu’ und daher mit Gott zu übersetzen.“ (Prominenter Theologe und römisch-katholischer Priester Hans Küng, "Der Islam" 2006, S. 16)

Einen besonderen Stellenwert in der Offenbarung nehmen die am Anfang jeder Sure stehenden Bezeichnungen "rahman" und "rahim" ein, was gewöhnlich mit "der Allerbarmer, der Barmherzige" übersetzt wird. In vielen Koranversen (wie z.B. in der Sure 12:64) wird Allah als "der Barmherzigste aller Barmherzigen" bezeichnet. In zahlreichen prophetischen Überlieferungen wird deutlich, dass Er denen Barmherzigkeit zukommen lässt, die selbst barmherzig sind. Wer sich aber von der Barmherzigkeit abwendet, dem wird sie von Ihm versagt. Diese islamische Lehre kann in unseren Tagen nicht oft genug betont werden.

So heißt es in einem prophetischen Überlieferung bei Tirmidhi 3,211: "Allah spricht: 'Ich bin Allah, und ich bin der Allerbarmer. Ich habe das Erbarmen erschaffen und ihm einen Namen von meinen gegeben. Wer Erbarmen schenkt, dem werde ich Erbarmen schenken. Und wer sich von dem Erbarmen abwendet, den werde ich vom Erbarmen abwenden.'" In einer anderen Überlieferung sagt der Prophet des Islams, Mohammed ibn Abdullah: "Wer sich nicht erbarmt, dem wird sich nicht erbarmt." (Bukhari 22,107) Und in einer anderen prophetischen Überlieferung heißt es: "Sucht die Gaben bei den Barmherzigen, denn in sie habe ich meine Gnade gelegt. Sucht sie nicht bei den Hartherzigen, denn in sie habe ich meinen Zorn gelegt." (Ghazzali 3,244) Von Mohammed ist auch Folgendes überliefert: "Wahrlich, die Milde kann nirgendwo innewohnen, ohne zu zieren, und sie kann nirgendwo weggenommen werden, ohne eine Verschlechterung zu hinterlassen." (Muslim 16, 146) Und weiter hat er sich auch wie folgt geäußert: "Den Barmherzigen ist Allah barmherzig. Seid barmherzig gegenüber denen, die auf Erden sind, dann sind auch die im Himmel euch gegenüber barmherzig." (Abû Dâwûd, Adab, 58) Hier wird somit deutlich, dass man den Islam durchaus als Religion der Barmherzigkeit interpretieren kann. Im Vers 54 der  Sure 6 heißt es, dass sich Allah selbst zur Barmherzigkeit verpflichtet hat. Und im Vers 156 der Sure 7 kann man Folgendes lesen: „Meine Barmherzigkeit umfasst alles.“ Der Prophet Mohammed wurde nach islamischer Überzeugung „als eine Barmherzigkeit für alle Welt“ gesandt (Sure 21, Vers 107). Die Barmherzigkeit wird im Islam gegenüber allen Lebewesen – auch gegenüber Tieren – gefordert.  (Vgl. z.B. Riyad as-Salihin, 1610)

Wer sich erbarmungslos verhält, wird nach diesen islamischen Lehren bei Gott selbst kein Erbarmen finden. Warum Menschen zu einem so grausamen Verhalten wie die IS-Terroristen in der Lage sind, ist eine andere Frage. Dies ist aber auch keine Spezialität des Islams, sondern man kann solche Grausamkeiten leider auch in allen anderen Religionen und selbst säkularen Weltanschauungen finden.

Markus FiedlerDr. phil. Markus Fiedler ist Autor von mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln mit dem Schwerpunkt Islam und Muslime in der europäischen Wahrnehmung.

 

 

 


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