21.09.2017 Ramon Schack

Saudi-Arabien am Abgrund


Saudischer Luftangriff auf Jemen.

Krieg im Jemen.

Das Königreich torkelt von einem strategischen Fehlschlag zum nächsten, flankiert von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Der Westen hat diese Entwicklung nicht nur unterstützt, der Westen hat diese Situation mit geschaffen. Ramon Schack mit mahnenden Worten.

Ein asymmetrischer Krieg hat sich etabliert

Seit März 2015 führt Saudi-Arabien Krieg im Nachbarland Jemen. Zwar gelang es den Saudis sowie mit ihrem aus dem Boden gestampften Militärallianz anfänglich, Erfolge zu erzielen, doch seitdem tritt die Intervention auf der Stelle. Der Krieg richtet sich gegen die schiitisch geprägten Huthi–Rebellen, die im Jemen offiziell „Oberster politischer Rat“ genannt werden. Diese bewegen sich innerhalb der Bevölkerung wie die sprichwörtlichen Fische im Wasser: Ein asymmetrischer Krieg hat sich etabliert, der besonders im gebirgigen Hochland Jemens bei den Saudis und ihren Alliierten schwere Verluste an Menschen und Material verursacht.

Riad musste feststellen, dass die Anhängerschaft des protegierten und von den Huthi-Rebellen gestürzten jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi innerhalb der jemenitischen Bevölkerung viel geringer ist, als ursprünglich angenommen. Obwohl die Saudis - aufgrund der vom Westen gelieferten Waffensysteme - zweifellos über die Lufthoheit verfügen und obwohl die saudische Luftwaffe riesige Zerstörungen in der Infrastruktur und dem kulturellen Erbe Jemens anrichtet - flankiert von tausenden Opfern unter der Zivilbevölkerung - zeigt sich wieder einmal, dass die Infanterie die Mutter aller Schlachten bleibt.

Die Verluste unter den Saudis und ihren Söldnern steigen

Den Truppen des „Obersten politischen Rates“ gelang es, 20 hochmoderne US-amerikanische Panzer zu zerstören, zehn Helikopter und fünf Kampfflugzeuge der Aggressoren abzuschießen, drei Kriegsschiffe zu beschädigen und zahlreiche Gefangene zu nehmen. Die Bilanz der Militäraktion ist ebenso desaströs, wie das Verhalten des Westens dazu moralisch verwerflich ist. Doch das militärische Engagement ist nicht nur für die saudischen Truppen und das Volk Jemens eine Katastrophe - inzwischen breitet sich der Krieg auf das saudische Staatsgebiet aus. Im Laufe des Krieges hat sich im Süden Saudi-Arabiens eine separatistische Bewegung gegründet, die auf beiden Seiten der Grenze saudische Grenztruppen attackiert.

Es handelt sich hierbei um Stammesangehörige jemenitischer Ethnizität. Diese Gebiete im Süden Saudi-Arabiens hatten bis 1934 zum Jemen gehört. Diesen Separatisten gelang es, einzelne Ortschaften, Grenzposten, Fabriken und sogar einen militärischen Außenposten in Saudi-Arabien selbst einzunehmen. Neben den unruhigen schiitischen Gebieten innerhalb Saudi-Arabiens, der fragilen Ruhe an der Nordgrenze zum Irak, der Okkupation Bahrains durch Riads Truppen sowie der strategisch gescheiterten Blockade Katars, hat sich ein weiterer Brennpunkt für das Königreich entwickelt.

Fast alle diese erwähnten Operationen waren von der Angst der wahhabitisch geprägten Saudis vor dem Erstarken des schiitisch geprägten Irans motiviert. Sie haben das Gegenteil erreicht, was angestrebt wurde, nämlich den Aufstieg Irans einzudämmen.

Iran ist heute mächtiger als je zuvor

Teherans Beziehungen zu mit den sunnitischen Muslimbrüdern verbündeten Katar werden vertieft, die schiitische Bevölkerungsmehrheit Bahrains begehrt weiter auf und im Jemen haben die Schiiten die Herzen der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit beim Kampf gegen die Angreifer gewonnen.

Saudi-Arabien hat sich dadurch in eine aussichtslose Situation manövriert, wie es ein Oppositioneller in Riad neulich ausdrückte und der diese Politik als die „Schande Saudi-Arabiens“ bezeichnete. Zieht Riad sich militärisch zurück, wird Irans Einfluss ebenfalls größer, und die innenpolitischen Spannungen steigen weiter an. Führt es die bisherigen Operationen fort, steigen die Verluste an Menschen und Material, Iran wird trotzdem stärker und der innenpolitische Druck könnte zu einer Explosion führen.

Das Königreich steht auf tönernen Füßen

Das Königreich steht auf tönernen Füßen, aber randvoll mit den modernsten Waffen der Welt, dank der westlichen Außen- und Verteidigungspolitik der letzten Jahre, die unsere zuständigen Politiker ebenso zu verantworten haben, wie das dadurch entstandene humanitäre Chaos. Wer auch immer in Europa den Zielsetzungen Washingtons nachläuft, welche auch unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump weitergehen, Saudi-Arabien als strategischen Partner aufzubauen, ist Baumeister der aktuellen Krise und der kommenden Katastrophe.

Ramon SchackRamon Schack (geb. 1971) ist Diplom-Politologe, Journalist und Publizist. Er schreibt für die „Neue Zürcher Zeitung“, „Zeit Online“, „Deutschland-Radio-Kultur“, „Telepolis“, „Die Welt“ und viele andere namhafte Publikationen. 2013 erschien sein Buch “Neukölln ist Nirgendwo, welches schon im Vorfeld der Veröffentlichung medial stark diskutiert wurde. Ende 2015 wurde sein BuchBegegnungen mit Peter Scholl-Latour – ein persönliches Portrait von Ramon Schack" veröffentlicht, eine Erinnerung an geteilte Erlebnisse und einen persönlichen Austausch mit dem berühmten Welterklärer. 2017 erschien Schacks eBook "Zeitalter des Zerfalls", welches sich seit Monaten in den Amazon-Bestsellerlisten bewegt.


Hat Ihnen der Artikel gefallen? Gerne können Sie uns spenden: Bitte hier klicken.



Horst17-10-17

Interessanter Hintergrundbericht. Der Inhalt wird so in deutschen Medien leider nicht dargestellt.
"America first" Für seine Vasallenstaaten, wie die Bananenrepublik Deutschland, heisst es: "Amerikas Interessen zu erst", dann bleibt fürs eigene Land nichts mehr, ausser den US-Scherbenhaufen teuer zu bezahlen. Mit dem Kontrollverlust des Staates und verlorener innerer Sicherheit.

Hamid30-11-17

Mein Problem mit Arikeln, die keine Quellen für ihre angegebenen Fakten angeben, wiederholt sich hier. Ich kann es mir so erklären, weshalb der Verfasser keine Quellenangaben macht. Entweder meint er, er sei als Quelle gut genug und der Leser muss sich auf seine Angaben verlassen, denn er ist vertrauenswürdig. Oder denkt er, wuzu braucht der Leser Quellenangaben. Jedenfalls sind Menschen, die vermittelte Informationen überprüen möchten hiermit nicht gut bedient.

@Hamid01-12-17

Als ob Spiegel & Co. oder irgendeine Printzeitung Quellen angeben...





* Bitte haben Sie Verständnis, dass die Redaktion Beiträge editiert oder nicht freigibt mit dem Ziel einen moralischen Austausch zu gewährleisten.