09.05.2019 Ramon Schack

Die destabilisierende Rolle Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten in Libyen


Der libysche General Chalifa Belqasim Haftar zu Besuch in der saudischen Hauptstadt Riad beim Kronprinzen MBS.

Der libysche General Khalifa Belqasim Haftar zu Besuch in der saudischen Hauptstadt Riad beim Kronprinzen Mohammed bin Salman al-Saud.

Die libysche Hauptstadt Tripolis, die sich nie vom Sturz Muammar Mohammed Abu Minyar Gaddafis im Jahr 2011 erholt hatte, ist wieder Kampfgebiet.

Trumps Saudi-Connection in Libyen vor Ort

Seit Anfang April stehen die Truppen des Warlords Khalifa Belqasim Haftar aus dem ostlibyschen Bengasi vor den Toren der westlibyschen Metropole. Manifestiert sich hier auch die uralte Spaltung des Landes in die historischen Provinzen Tripolitanien und der Kyrenaika?

Auf jeden Fall gibt es einen uralten Gegensatz zwischen dem weltlichen Tripolitanien im Nordwesten mit der Hauptstadt Tripolis und der Kyrenaika im Osten - das Land südlich der Hafenstadt Bengasi mit seinen uralten Bindungen ins benachbarte Ägypten hinein, und einer historisch starken islamischen Senussi-Bruderschaft, die auch an der Macht war, bis sie 1969 von Gaddafi weggeputscht wurde.

Warlord Haftar, der eine buntgemischte Truppe aus militärischen Einheiten, islamistischen Milizen, Stammeskriegern und Söldnern aus dem Sudan befehligt, hat als Ziel die Eroberung von Tripolis angekündigt, um diese von "Terroristen" zu befreien.

Damit ist die von der internationalen Gemeinschaft installierte Regierung von Präsident Fayez Mustafa al-Sarraj gemeint. Haftar plant die Errichtung eines straffen Militärregimes, wie im Nachbarland Ägypten. Interessant ist hierbei, dass er sich seit kurzem der Gunst von US-Präsident Donald John Trump erfreuen kann.

Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, warum Trump sogar die Strategie seines Außenministers Michael Richard Pompeo durchkreuzt, um Haftar zu unterstützen. Bisher wird der Warlord nämlich nicht nur vom ägyptischen Präsidenten und General Abdel Fattah Saeed Hussein Khalil El-Sisi unterstützt, der sich dafür den Zugriff auf die Erdölfelder in Ost-Libyen sicherte, sondern auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) militärisch aufgerüstet, wobei Saudi-Arabien die Rechnungen bezahlt.

Dank Trump: Salafisten vor den Toren Europas

Trump, der selbsternannte Patriot, den es nicht stört, mit Saudi-Arabien enge Beziehungen zu unterhalten, obwohl von dort ein Großteil der Attentäter vom 11. September stammte und der Anschlag wahrscheinlich dort erdacht wurde, wittert wahrscheinlich wieder ein Geschäft, denn die Waffen wurden vorher unter anderem bei US-Rüstungsschmieden bestellt.

Wen stört es denn da im Weißen Haus, wenn vor den Toren Europas ein Krisenherd am Lodern bleibt, schließlich muss Brüssel dann ja sehen, wie man mit den Flüchtlingsströmen zurechtkommt, vor denen Gaddafi einst gewarnt hatte. Haftar selbst hatte sich in Saudi-Arabien um eine Erlaubnis bemüht, den Angriff starten zu dürfen, womit die Machtverhältnisse klar sind.

Während der Westen unter der Führung Washingtons die Islamische Republik Iran ökonomisch zu strangulieren versucht, darf Riad jetzt auch in Libyen ihre puritanische Version des Wahhabiten- und Salafisten-Islams vor den Toren Europas verbreiten. Hauptsache die Saudi-Connection von Trump und Co. sichert sich ihre Rendite. Das Wall Street Journal meldete diesbezüglich in der Ausgabe vom 12. April 2019, dass die Saudis Haftar selbst mit einige Millionen US-Dollars protegieren.

Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron folgt seinem Vorgänger Nicolas Paul Stéphane Sarközy de Nagy-Bocsa

Aber auch andere Mächte versuchen sich dort zu bereichern. Frei nach dem Motto: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!" bestehen geheime Kontakte zwischen einflussreichen EU-Staaten und Haftar, obwohl die Europäische Union offiziell die Regierung in Tripolis anerkannt hat. Ganz vorne weg natürlich Frankreich, unter der Führung vom Sonnenkönig Macron, der sogar Militärberater zu Haftar geschickt hat.

Der französische Präsident folgt daher der unseligen Tradition seines Vorgängers Sarkozy, welcher sich zuvor von Gaddafi aushalten und seinen Wahlkampf finanzieren ließ, dann aber den Einflüsterungen des Mode-Philosophen Bernard-Henry Lévi aus der Pariser Bussi-Gesellschaft folgte und seinen alten Gläubiger und Gönner Gaddafi liquidieren ließ.

Lévi, der das alles in Gang brachte - angeblich in Sorge um seine Freunde in Bengasi - wurde dort schon lange nicht mehr gesehen, dafür aber in der letzten Zeit in der Ukraine. Trump lässt sich natürlich die Butter vom Brot nicht stehlen, beziehungsweise das Öl aus der Wüste. Per Telefon machte der Präsident der USA dem libyschen Warlord Mut und würdigte dessen Rolle bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Sicherung der libyschen Ölvorkommen.

Italien, unter dessen Kolonialherrschaft 1912 Libyen erst entstand, besitzt noch umfangreiche Latifundien dort und steht hinter der Regierung in Tripolis. Rom zeigt sich verärgert darüber, dass Paris gezögert hat, eine kürzlich verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrates zu unterstützen, in der Haftar aufgefordert wurde, seine Aggressionen zu stoppen.

Wem das alles sehr verworren vorkommt, beziehungsweise das Gefühl erhält, die Außenpolitik des Westens wird nur noch von der Profitgier großer Konzerne diktiert, der hat ein Gefühl für die Tragödie des Westens und unserer Zeit erlangt.


Ramon SchackRamon Schack (geb. 1971) ist Diplom-Politologe, Journalist und Publizist. Er schreibt für die „Neue Zürcher Zeitung“, „Zeit Online“, „Deutschland-Radio-Kultur“, „Telepolis“, „Die Welt“ und viele andere namhafte Publikationen. Ende 2015 wurde sein BuchBegegnungen mit Peter Scholl-Latour – ein persönliches Porträt von Ramon Schack" veröffentlicht, eine Erinnerung an geteilte Erlebnisse und einen persönlichen Austausch mit dem berühmten Welterklärer.


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