23.11.2017 Shahab Uddin

Findet eine Islamisierung oder Amerikanisierung der Gesellschaft statt?


Karikatur - Als der Abend einbricht, erscheint der Halbmond im Himmel. Panische Angst: "Aaah! Die Islamisierung des Abendlandes hat begonnen!"

"Aaah! Die Islamisierung des Abendlandes hat begonnen!"

Im deutschen politischen Spektrum definiert sich der Konservatismus aus verschiedenen Bestrebungen, die unter den entsprechenden Parteien in unterschiedlichem Maße ausgeprägt sind. Dazu gehört unter anderem die Sehnsucht danach, das über Dekaden andauernde Stigma des „schuldigen Deutschen“ zu überwinden und - wie in anderen Ländern auf der Welt - auf seine Nation stolz sein zu können, so dass man nicht nur bei Fußball-Events die deutsche Flagge schwingen und sich patriotisch geben kann, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden, als Rechtsextremist abgestempelt oder gar als Nazi gebrandmarkt zu werden. Weiterhin will man auch jene Werte vertreten, für die der erste Buchstabe der beiden konservativen Parteien CDU und CSU eigentlich steht. Das Anliegen aller konservativen Parteien betrifft die Bewahrung der nationalen, kulturellen und religiösen Identität.

Aufgrund der Geschichte Deutschlands und des damit einhergehenden Schuldkomplexes wurde der Konservatismus in den ersten Dekaden der eher pazifistisch geprägten Bundesrepublik vielleicht mehr als anderswo mit Extremismus gleichgesetzt. Dabei ist nicht der Konservatismus selbst die Quelle radikalen Gedankengutes, der - wie der Liberalismus - auch in radikaler Form erscheinen kann und auf die selbe Art und Weise zu einer Eskalation und Destabilisierung eines Staates beitragen kann. Der Verfasser dieses Artikels empfindet gegenüber dem Konservatismus und der damit einhergehenden beabsichtigten Wahrung der eigenen Kultur und Tradition im Gegenteil sogar vollsten Respekt. Was meine Wenigkeit allerdings für problematisch und für ein Armutszeugnis hält, ist vielmehr, wie die etablierten konservativen Parteien Deutschlands sich ausnahmslos einer selektiven Handlungslogik bedienen, da sich ihre Schutzbestrebung der eigenen Kultur ausschließlich gegen das schwächste Glied der Gesellschaft wendet, nämlich gegen die muslimischen Migranten und Flüchtlinge.

Der sogenannte Schutz der Heimat richtet sich bemerkenswerterweise nicht gegen jene Kräfte, die an der "deutschen Heimat" am ärgsten zehren, wie sie in der seit Dekaden unanfechtbaren, anhaltenden Amerikanisierung der deutschen Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zum Ausdruck kommt. So kam es auch nicht von ungefähr, dass es zu keinerlei konservativem Aufschrei führte, als nicht etwa Muslime oder die Islamische Welt - intransparent und am Volke vorbei – eine neue, tiefgreifende Standardisierung in Deutschland durchsetzen wollten, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika - im Zuge des TTIP-Prozesses.

Auch auf eher trivialen Ebenen ist diese verzerrte Wahrnehmung unter den Konservativen Deutschlands zu beobachten. Einer Falschmeldung darüber, dass Muslime sich dafür stark gemacht hätten, den Weihnachtsmarkt in "Wintermarkt" umzubenennen, haben viele konservative Bürger mit leidenschaftlichem "Nächstenhass" Aufmerksamkeit geschenkt, während ein ursprünglich heidnischer und aus den USA exportierter Brauch namens Halloween den christlichen Sankt-Martins-Tag Jahr für Jahr weiter verdrängt, ohne das dies zu einer spürbaren Beanstandung führt. Und nun steht am kommenden Freitag nicht etwa eine Orientwoche einer einzigen deutschen Supermarktkette an - die üblicherweise vor Wut schäumende „konservative Protestmails“ zur Folge hätte - sondern der amerikanische "Black Friday", der im nahezu gesamten deutschen Handel zelebriert wird, wobei unter den vorgeblichen Traditionalisten dieses brandneue, importierte Phänomen nicht einmal zu einer nennenswerten Regung kommt. Verführerischer ist es für diese konservativen Anhänger des abrahamitischen Christentums scheinbar, ihren Enthusiasmus ausschließlich für den ebenso abrahamitischen Islam aufzuheben.

Wie kann man aber über eine Islamisierung des Abendlandes sprechen, wenn nicht über die vorausgegangene aggressive Amerikanisierung des Morgenlandes gesprochen wird, die in der Destabilisierung diverser islamisch geprägter Länder ausartete, die selbst wiederum vermeintlich zu dem führte, was man nun als "Islamisierung des Abendlandes" betitelt? Welcher konservative Parteigänger hat sich schon gegen die halbherzige Involvierung des bereits seit Jahrzehnten amerikanisierten Deutschlands in die militärischen Operationen gegen muslimische Länder und den daraus resultierenden Toten im siebenstelligen Bereich mit einem solchen Einsatz darüber aufgeregt wie heute, wenn sie über verschleierte Frauen in Deutschland fluchen, bei denen es sich manchmal sogar bloß um leere Bussitze handelt?

Wenn die Bewahrung der deutschen Kultur und Tradition von den Konservativen in Deutschland ernsthaft priorisiert ist, stellt sich die Frage, warum diese nur inkonsequent gegen Randgruppen gerichtet ist, während das andere Auge für die seit mehreren Jahrzehnten bestehende Amerikanisierung zugedrückt wird, als sei die fortwährende Amerikanisierung Deutschlands die einzige Alternative für Deutschland.


Shahab UddinShahab Uddin hat Amerikanische Kultur- und Sprachwissenschaften, deutsche Sprachwissenschaften und Pädagogik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert. Nach der Erlangung des Magister Artium hat er sich das Reisen als Schwerpunkt gesetzt und hat mittlerweile 80 Länder bereist.

 

 


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Joun05-12-17

Ja klar! ... aber nee, irgendwie nicht ganz richtig aufgewickelt. Deine Argumentation vergisst, dass die Konservativen in Deutschland sich natürlich nur mit “harmlosen und normal-patriotischen” Werten definiert. Und sehr wohl wird die Amerikanisierung problematisiert, zwar ist die nicht so hoffähig wie die islamophobe Einstellung dieser Tage, doch wir sollten uns fragen was diese "deutschen Werte" sind und ob es sie wirklich zu bewahren gilt. Wir leben in einer Welt der globalen Vermischung von Kulturen, die seit Internet etc. auf Steroiden ist. Vielleicht muss man da Patrioten einfach mal kacken gehen lassen und sie nicht mit Samthandschuhen anfassen. Just saying, salaam!

Hamid05-12-17

Herr Shahab Uddin drückt sich sehr kompliziert aus. Er ändert das Thema so oft, dass ich ihn als Leser mit viel Mühe und nach mehrmaligem Lesen verfolgen kann. Am Anfang dachte ich, endlich kommt jemand auf das unausgesprochenen Punkt. Aber dann geht er zum nächsten Knoten, den er nicht aufzumachen versucht, sondern nur provokativ anschneidet und so geht er in dieser einseitigen Notiz weiter. So viele Themen, angedeutete Informationen und Punkte in einer so kurzen Meinungsäußerung?

Angesprochene Themen:

1) Stigma des deutschen Schuldigen / Patriotismus / Identität
2) Konservatismus
3) Amerikanisierung des Abendlandes/ Islamisierung desselben und angedeutete Informationen bzw. Gegensätze
4) Halloween / Sankt-Martin-Tag
5) Amerikanische Black Friday
6) Abrahamitisches Christentum und abrahamitischer Islam
7) Militärische Operationen Amerikas und ihre Folgen
8) TTIP
9) Weihnachtsmarkt / Wintermarkt
10) Nächstenhass





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