05.10.2017 Dr. Markus Fiedler

Wie blutig waren die Feldzüge des islamischen Propheten?


Mohammed führt seine Truppe mit Flagge und Schrift an.

Ein Bild aus dem 14. Jahrhundert: Beschützt von Engeln führt Mohammed (links) seine Truppe mit Flagge und Schrift an.

„Islamkritiker“, wie der Orientalist Hans-Peter Raddatz, beschuldigen den Propheten des Islams, Mohammed ibn Abdullah, immer wieder, dass er durch seine Feldzüge viele Menschenleben auf dem Gewissen habe, bei Hamed Abdel-Samad wird er in seinem Buch „Mohamed – Eine Abrechnung“ gar zu einem „Massenmörder“. Was ist davon zu halten?

Das Ende blutiger Stammesfehden

Bei der von den „Islamkritikern“ vertretenen Sichtweise auf die Feldzüge des Propheten bleibt zunächst meist unberücksichtigt, dass Mohammed durch seine Feldzüge die Befriedung der Arabischen Halbinsel gelang. Während bei allen Feldzügen des Propheten insgesamt „nur“ etwa 250 Menschen ums Leben kamen, starben in der Zeit vor dem Aufkommen des Islams aufgrund der nicht enden wollenden Stammeskriege jedes Jahr mehrere Tausend Menschen. So hat der Prophet eigentlich genau genommen sogar jährlich Tausende Menschenleben gerettet – ganz abgesehen davon, dass der Stamm Quraish in Mekka zum Beispiel vorher ihre neu geborenen Mädchen töteten, eine Praxis, die Mohammed verboten hatte.

Der österreichische Orientalist Alfred von Kremer (gest. 1899) hatte wie folgt auf die Folgen der Einigung der Arabischen Halbinsel aufmerksam gemacht: „Aus den hunderterlei kleineren und größeren Stämmen, die unaufhörlich untereinander in blutigen Fehden lagen, schuf Mohammeds Wort eine Nation … Das große Werk glückte und als Mohammed starb, herrschte über den bei weitem größten Teil Arabiens ein Gottesfrieden, wie ihn die beutelustigen und rachsüchtigen Stämme bisher wohl nie gekannt hatten. Die Religion hatte sie versöhnt.“ Der indische Philosoph Koneru Ramakrishna Rao (geb. 1932) hat sich dazu ähnlich geäußert: „Die Gesamtzahl der Opfer in allen kriegerischen Auseinandersetzungen, die während seines [Mohammeds] Lebens stattfanden, als die gesamte Arabische Halbinsel sich unter seinem Banner einte, geht insgesamt nicht über ein paar Hundert hinaus... Für die Araber, die wegen der unbedeutenden Provokation, das ein Kamel, das dem Gast eines bestimmten Stammes gehöre, sich in das Weidegebiet eines anderen Stammes verirrte, bereit waren, vierzig Jahre zu kämpfen bis insgesamt 70.000 Menschen ihr Leben gelassen hatten und beiden Stämmen die Ausrottung drohte, solchen wilden Arabern lehrte der Prophet Selbstkontrolle und Disziplin in einem Maße, dass sie selbst auf dem Kampfplatz beteten.“

Humane Kriegsführung

Weiterhin befahl der Prophet Mohammed im Falle eines Kampfes, nicht einmal einen Baum unnötig zu fällen. Er verbot es, Frauen, Kinder, alte oder kranke Personen und Priester oder Mönche zu töten. Ein Beispiel für diese „humane Kriegsführung“ ist auch die Behandlung der Kriegsgefangenen. Der Prophet befahl seinen Leuten sogar, das Essen mit den Gefangenen zu teilen: „Sie sind eure Brüder, gebt ihnen von dem Gleichen, was ihr esst und trinkt.“

Weiterhin ordnete der Prophet an, keine religiösen Schriften oder Gebäude von Juden oder Christen zu zerstören. So wies er nach der Einnahme des Oasengebiets Khaibar und der Kapitulation der dortigen jüdischen Bevölkerung an, alle während des Kampfes erbeuteten Thorarollen an die Juden zurückzugeben. Man vergleiche diese Handlungsweise mit den Forderungen Luthers in seiner Schrift "Von den Juden und ihren Lügen" aus dem Jahr 1543: „Ich will meinen treuen Rat geben: Erstlich, daß man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde Überbaute und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich ... Zum anderen, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre ... Zum dritten, daß man ihnen nehme all ihre Betbüchlein und Talmudisten ... Zum vierten, daß man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbiete hinfort zu lehren ... Zum fünften, daß man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe...“

Hier soll es um keine Verurteilung Luthers gehen! Es sollte aber auch anerkannt werden, dass Mohammed ca. 900 Jahre vor Luther einen respektvollen Umgang mit den heiligen Schriften der Juden gepflegt hat. Es wäre nicht auszumalen, was heute wohl zu hören wäre, wenn es von Mohammed solche Aussagen wie die von Luther gäbe.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass Mohammed als einer der ersten Staatsführer der Geschichte Gesetze humaner Kriegsführung verkündete, was der deutschsprachige Schriftsteller russisch-jüdischer Abstammung, Essad Bey (gest. 1942), in seiner Biographie über den Propheten Mohammed wie folgt verdeutlichte:

„Was waren bis dahin die Kriege des Altertums? Wie wurden die Kriege der Araber geführt? Man überfiel den Feind, erschlug alle Männer seines Volkes, plünderte sein Eigentum, vergewaltigte die Frauen und schickte die Kinder in die Sklaverei. Andere Kriegsformen kannte das Altertum nicht. Auch die Bibel kennt den Krieg nur als endgültige Ausrottung des Feindes. Samuel der Prophet verkündet dem Volke der Juden: „Erschlagt die Amalekiter, vernichtet alles, was sie haben, schont sie nicht, tötet ihre Männer, Frauen, Kinder und Säuglinge. Vernichtet ihre Herden von Ochsen, Schafen, Kamelen und Eseln.' (1 Sam 15,3) Auch Ezechiel sagt: 'Tötet alle: Alte und Junge, Mädchen, Kinder und Frauen.' (Ez 9,6) Auch die Kriege der Perser und Byzantiner, die sich zu Mohammeds Zeiten abspielten, hatten den gleichen Charakter... Er [Mohammed] stürzte alle Moralbegriffe des Altertums und verkündete den neuen humanen Krieg. Das Ziel Mohammeds war nicht die Eroberung, sondern die Organisierung der Welt. Zum ersten Mal in der blutigen Geschichte der orientalischen Kriege entstand ein Herrscher, der den absoluten Wert des menschlichen Lebens anerkannte und öffentlich proklamierte: 'Übe keine List und keinen Betrug im Feld. Töte keine Kinder', verkündete der Prophet. Mohammed befahl seinen Generälen: 'Wenn ihr das feindliche Heer bekriegt, so unterdrückt nicht die friedlichen Einwohner des feindlichen Landes: Schont die Schwäche des weiblichen Geschlechts und seit barmherzig zu den Säuglingen und Kranken. Zerstört nicht die Häuser der Bevölkerung, vernichtet nicht ihre Felder, Gärten und Palmen.' Wichtiger als der Erlass dieser Befehle ist aber die Tatsache, dass Mohammed seiner Umgebung die Einhaltung dieser Gebote tatsächlich aufgezwungen hat.“

Abschließend ist zu sagen, dass die „Islamkritiker“ mit ihren Darstellungen des Propheten Mohammed letztlich die Untaten von islamistischen Extremisten religiös begründen und legitimieren – gewollt oder ungewollt.


Markus FiedlerDr. phil. Markus Fiedler ist Autor von mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln mit dem Schwerpunkt Islam in Europa.

 

 


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G.12-10-17

Ein interessanter Artikel. Wie weit die Ansicht von Philosophen und Forschern der Geschichte heute relevant ist, die bereits 100 Jahre tot sind vermag ich nicht zu sagen.
Den Wikipedia Artikel halte ich aber für aktueller und ausgewogener wenn man sich für das Leben Mohammeds interessiert. Mohammed zu verteufeln ist sicher übertrieben. Eben so ihn zu einem Lamm zu erklären. Der heutige Stand wie er z.B. auf Wiki nachzulesen ist stellt sich doch etwas differenzierter da als es in diesem Artikel suggeriert wird.

NA17-10-17

Lieber Her Fiedler, vielen Dank für die Sichtweise. Was denken Sie über den jüdischen Banu Qurayza Stamm, der gegen Muhammad verrat ausübte und infolge dessen alle Maenner getötet wurden? Es sollen tausende hingerichtet worden sein.

Dr. Markus Fiedler17-10-17

Das Mohammed-Bild hat sich im Lauf der Jahrhunderte im Abendland öfters geändert. Der Wikepedia-Artikel ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Zum Feldzug gegen die Banu Quraiza: Dazu gibt es nur eine einzige Quelle, die von Ibn Ishag, die aber schon zu Ibn Ishaqs Zeiten (wie von Malik) heftig bestritten wurde. Nachfolgend haben alle bei Ibn Ishaq (ca. 704-768 n. Chr.), der über 140 Jahre nach den Ereignissen starb, abgeschrieben. Ibn Ishag zufolge wurden einige hundert Männer der Banu Quraiza wegen Vertragsbruch und Verrat hingerichtet. Dazu muss man wissen: Im Staat des Propheten Mohammed in Medina galt strikte Rechtsautonomie, d.h. die Juden wurden nach der Thora und die Christen nach der Bibel gerichtet. Dem englischen Professor Martin Lings zufolge entsprach das Urteil über die Banu Quraiza, das ein von Mohammed eingesetzter Schiedsrichter ausgesprochen hat, exakt der Thora (nachzulesen im 5. Buch Mose, 20:13 ff.). Ich bin aber nach Studium der Quellen zur Überzeugung gelangt, dass man Ibn Ishaqs Bericht nicht trauen kann. Ich werde dazu einen Artikel schreiben.

Manfred18-12-17

Was für ein Gegensatz zu Jesus, der – als es ihm ans Leben ging – zu seinem Jünger sagte: „Stecke dein Schwert in die Scheide! Denn wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ Die Anzahl von 250 Menschen, die während der Feldzüge Mohammeds umgekommen sein sollen, ist zwar schönfärberisch. Aber wir können uns sicher darauf einigen, dass allein der Umstand, dass Mohammed Gewalt propagiert und selber ausgeübt hat, verbunden mit 250 Opfern, die Bezeichnung „Massenmörder“, die Hamed Abdel-Samad ihm zuerkennt, angemessen scheinen lässt?

Geist19-12-17

@MANFRED
Entweder haben Sie den obigen Artikel nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Unter Berücksichtigung der obigen Punkte kann keineswegs die Rede von "Propagierung der Gewalt" - geschweige von einem "Massenmörder" sein.





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