12.12.2017 Mohamed Ghazi

Neues Konfliktpotential: Die Erdöl- und Erdgasreserven zwischen Israel und dem Libanon


Strittige Seegrenze zwischen Israel und dem Libanon.

Strittige Seegrenze zwischen Israel und dem Libanon.

Der Konflikt in Syrien nähert sich dem Ende. Es scheint, als würde die Achse Syrien-Iran-Hisbollah und Russland den Krieg für sich entscheiden können. Israel, das die verstärkte iranische Präsenz bis hin zu den syrischen Golanhöhen als eine existenzielle Bedrohung für sich ansieht und mit Saudi-Arabien eine Anti-Iran-Koalition schmiedet, hat im Verlauf des Syrien-Kriegs hunderte Luftangriffe gegen Waffendepots und Waffentransporte, die mutmaßlich für die Hisbollah bestimmt waren, durchgeführt. Dies führte zu Vergeltungsschlägen der Hisbollah, sofern bei den israelischen Angriffen Hisbollah-Kämpfer ums Leben kamen. Ein Krieg zwischen Israel und der Hisbollah könnte in Zukunft jedoch wegen eines ganz anderen Grundes ausgelöst werden: Tel Aviv und Beirut streiten sich über den Besitz von neu entdeckten Energieressourcen im Mittelmeer.

Anfang des Jahres verkündete der libanesische Energieminister Cesar Abi Khalil, dessen christliche Partei mit der Hisbollah verbündet ist, dass Libanons Energiereichtum an Erdgas und -öl nicht verhandelbar und Beirut selbst für die Festlegung der Seegrenzen zuständig sei. Im Verlauf des Jahres wurde bereits eine Ministerialverordnung erlassen, die die Seegrenzen des Libanons festlegte. Ferner wurde eine Roadmap erstellt, um die Ölproduktion voranzutreiben. Das libanesische Parlament, das aus 128 Mitgliedern besteht und alle 4 Jahre gewählt wird, hat die Exploration für Ölgesellschaften ausgeschrieben.

Laut den Angaben des Energieministers sei dies ein positives Signal an Unternehmen und Investoren im Ölsektor. Es werden alle Maßnahmen ergriffen, um den Eintritt Libanons in das Öl-Zeitalter zu ermöglichen, das sich bei vielen anderen Ländern im Nahen Osten dem Ende zuneigt. Ökonomen im Libanon sagen voraus, dass der Libanon nach der Ausschreibung zur Explorationsphase, die 4 Jahre dauert,  innerhalb von 7-10 Jahren mit der Förderung von Öl und Gas beginnen könne.

Auf der anderen Seite steht aber Israel in den Startlöchern, das mehrere Gasfeld-Projekte in Angriff genommen hat, die unter anderem vorsehen, Erdgas über Pipelines von Tel Aviv beanspruchte Gebiete nach Europa zu liefern. Diese künftige Vollziehung der israelischen Festlegung der Seegrenzen könnte zu einem neuen Krieg führen, denn Beirut betont, dass durch die Umsetzung des israelischen Vorhabens teilweise Gebiete des wiederum vom Libanon in Anspruch genommenen Hoheitsgewässers verletzt würden. Gemäß den Angaben der israelischen Finanzzeitschrift „Globes“ forderte Israel seinerseits sowohl die USA als auch die Vereinten Nationen (UNO) auf, Druck auf Beirut auszuüben, um die libanesische Ausschreibung für die Öl- und Gasexploration zu beenden. Dort wurde indes verlautbart, dass die libanesische Regierung alle möglichen Schritte einleiten würde, um seine Energieressourcen mit aller Kraft zu verteidigen.

Israelische Sicherheitsberater befürchten, dass sich im Falle eines Krieges um die Energieressourcen die libanesische Armee mit der Hisbollah zusammentun werde - ähnlich wie es bereits im Sommer dieses Jahres erfolgreich geschah, als es bei den Gefechten um die libanesisch-syrische Grenzstadt Arsal zu einer militärischen Kooperation zwischen der libanesischen Armee und der Hisbollah kam. Der IS, der 2014 einen Angriff auf Stadt Arsal startete und mehrere libanesische Soldaten gefangen nehmen konnte, musste sodann unter dem geballten militärischen Druck der beiden Streitkräfte einem Deal zustimmen, der den restlichen verbliebenen Kämpfern des IS eine Evakuierung zur syrisch-irakischen Grenzstadt Abu Kamal ermöglichte.

Der libanesische Staat wird mittelfristig mit Israel auf dem Energiemarkt in Konkurrenz treten. Dadurch werden die jeweiligen brisanten Festlegungen der Seegrenzen das bereits starke Konfliktpotenzial zwischen Israel und dem Libanon weiter erhöhen. Diese Entwicklung ist wohl unabhängig von dem jüngsten Versuch Saudi-Arabiens zu sehen, die libanesische Regierung zu Fall zu bringen, indem es den Premierminister Saad Hariri - letztlich vergeblich - zum Rücktritt drängte. Die Ausbeutung der Energieressourcen gilt im Libanon quasi als Staatsraison - selbst für die pro-saudischen Akteure im Libanon, denen bisweilen nachgesagt wird, gegenüber israelischen Interessen aufgeschlossener zu sein.

Mohamed Ghazi, MAMohamed Ghazi ist Absolvent des Masterstudiengangs „Politik und Wirtschaft des Nahen und Mittleren Ostens" der Universität Marburg.

 

 


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Mahmoud23-12-17

Vielen Dank, dieses Thema ist kaum in den deutschsprachigen Medien behandelt. Gerne ein weiterer Artikel mit mehr Details. Mich würde z.B. interessieren, welche Unternehmen Libanon bei der Förderung helfen würden oder zumindest aus welchen Ländern diese kommen.

Mohamed Ghazi04-01-18

Lieber Mahmoud,

vielen Dank für deinen Kommentar.

In der Tat wird über die Energieressourcen zwischen Libanon und Israel in den deutschsprachigen Medien kaum etwas berichtet. Viele Artikel über dieses Thema findest du auf Arabisch sowie auf Englisch. Aktuell hat das Konsortium von Total (Frankreich), Novatek (Russland) und Eni (Italien) als einziges ein Angebot unterbreitet (Stand 26.12.2017). Hierbei handelt es sich um Block 4 und 9. Für weitere Informationen kannst du auf folgenden Links mehr erfahren.

- http://www.lebanongasandoil.com/index.php/news-details/157
- http://www.lpa.gov.lb





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